„Das Private ist politisch!“

Ich wurde schon häufig gefragt, was mein Antrieb für das ehrenamtliche Engagement in der Politik sei. Tatsächlich gibt es bei mir nicht „die eine Motivation“ oder „den einen Auslöser“. Vielmehr ist mein Leben bereits von Kindesbeinen an politisch geprägt.

Ich bin bei meinem alleinerziehenden Vater und meinen Großeltern in Tostedt im Landkreis Harburg aufgewachsen. Meine Großeltern (beide Geburtsjahr 1914) waren sehr christliche und politische Menschen. Flucht, Vertreibung und Kriegstraumata waren immer Themen an unserem Küchentisch, denn meine Großeltern waren im Zweiten Weltkrieg aus Bessarabien (der heutigen Ukraine) nach Deutschland geflohen. Die aktuellen Ereignisse an der Konfliktlinie zwischen der Ukraine und Russland bewegen mich persönlich sehr. Genau dort befand sich die Heimat meiner Großeltern, die sie vor ca. 80 Jahren aufgrund des Krieges verlassen mussten. Auf der Flucht im sogenannten „Elendszug“ im Januar 1945 verstarb ihr damals jüngstes Kind, während meine Großmutter alleine mit zwei weiteren Kindern unterwegs war. Mein Großvater befand sich zu jenem Zeitpunkt in Kriegsgefangenschaft. Die tiefe Trauer um ihr kleines Mädchen Ella Alma, das sie im Nirgendwo am Wegesrand begraben zurücklassen musste, hat meine Großmutter bis zu ihrem Lebensende täglich begleitet. Sie selbst starb Ende 2012 im Alter von fast 99 Jahren.

Die Fluchtgeschichte meiner Großeltern hat mich früh politisiert. Tägliche Nachrichtensendungen und der wöchentliche „ARD Presseclub“ am Sonntagmittag gehörten in unserer Familie zum Pflichtprogramm. Die Angst vor neuerlichen weltweiten Konflikten und Kriegen ließ meinen Großvater bis zu seinem Lebensende nicht los.

Für meine Großeltern war überdies immer klar, dass Menschen selbst aktiv werden müssen, um für eine friedliche gerechtere Welt zum kämpfen. Davon bin auch ich überzeugt und möchte weiterhin meinen Beitrag dazu leisten. Seit vielen Jahren bin ich ehrenamtlich unter anderem für die GRÜNEN kommunalpolitisch sowie auf Landesebene aktiv. Für eine friedlichere Welt und eine sichere Zukunft braucht es Menschen, die mutig handeln und gestalten!

Auf den Bildern sind alte Fotos meiner Großeltern und Auszüge der Chronik „Lunga“ (ehemaliger Wohnort meiner Familie in Bessarabien) zu sehen.

Auf dem zweiten Bild hält meine Großmutter mich auf dem Arm und erklärt mir etwas. Mein Großvater steht mit dem Kinderwagen daneben.

Das vorletzte Bild zeigt meine Großmutter stehend am geöffneten Fenster mit meinem ca. dreijährigen Vater (rechts im Bild) und einem älteren Kind in der Schule Otter im Landkreis Harburg, die Geflüchteten als Notunterkunft diente. Das Bild entstand um 1950.

Wer mehr über die Geschichte von geflüchteten Menschen im Zweiten Weltkrieg erfahren möchte, empfehle ich das Buch „Heimatlos“ von Ghalia El Boustami. Beim Lesen habe ich mich in die Erzählungen meiner Großeltern zurückversetzt gefühlt. Dieses Buch hat mich zu Tränen gerührt. Danke an die Autorin, dass sie ihre bewegende Familiengeschichte teilt!

Lebenslauf

Nadja Weippert

  • geb. am 29.12.1982 in Buchholz i. d. Nordheide
  • Abitur im Jahr 2002 am Gymnasium Tostedt
  • Teilzeitstudium der Politikwissenschaft an der Universität Hamburg
  • Versicherungskauffrau (IHK) und Mitarbeiterin im Buchhandel
  • Mutter eines zwölfjährigen Sohnes
  • Bürgermeisterin der Gemeinde Tostedt
  • stv. Landrätin im Landkreis Harburg
  • Mitglied des Niedersächsischen Landtages der 19. Wahlperiode (seit 8. November 2022)
  • Beisitzerin im Erweiterten Fraktionsvorstand der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Landtag Niedersachsen
  • Koordinatorin des AK Innen und Recht

Ehrenamtliches und GRÜNES Engagement